Elmar L. Kuhn

Die österreichische Provinz des Paulinerordens


Als 1718 der Ordensgeneral Dr. Johannes Kristolovecz von der Visitation der schwäbischen Paulinerklöster zurückkehrte, berichtete er dem Generalkapitel, dass die Gebräuche der schwäbischen Provinz beträchtlich von denen der Klöster in den anderen Provinzen abwichen. Man glaube kaum, zum gleichen Orden zu gehören.1

1710 beriefen sich die schwäbischen Pauliner auf die österreichischen Patres, als sie beschlossen, „die Bärte abzutun und gleichförmig den Österreichern Confratern zu haben“.2Der Streit der „natio Germanica“ darüber mit der Ordensleitung zog sich von 1702 bis 1775 hin, bis man schließlich den Entscheid den einzelnen Ordensprovinzen überließ.3

Ich habe in mehreren Aufsätzen Struktur und Geschichte der schwäbischen Ordensprovinz des Paulinerordens untersucht. Für einen Orden und eine Landschaft Typisches und Eigentümliches erschließen sich aber erst im Vergleich.4Ich befasse mich deshalb im Folgenden mit der benachbarten und doch von Schwaben weit entfernten österreichischen Ordensprovinz. Mein Erkenntnisinteresse richtet sich dabei auf die Unterschiede bzw. Gleichförmigkeiten beider Ordensprovinzen. Meine Quellenbasis dieser Darstellung ist gegenüber meinen Texten zur schwäbischen Provinz deutlich schmäler. Ich habe die allgemeine Ordenshistoriographie zum Paulinerorden,5vor allem die Acta generalia ab 17006und die gedruckte Literatur zu den einzelnen Klöstern7ausgewertet. Aus Gründen der Arbeitsökonomie konnte ich die Quellen zu den einzelnen Klöstern in den regionalen und lokalen Archiven Niederösterreichs, der Steiermark, Böhmens und Mährens bis auf wenige Ausnahmen nicht einsehen, die das Bild differenziert und ergänzt hätten. Es ist folglich ein Bild, das wesentlich aus der Perspektive der Ordensleitung gewonnen wurde, für sich schon ein interessanter Aspekt. Für das Ziel des Vergleichs mag der Verzicht zu vertreten sein. Ebenso wie zuvor die schwäbische Provinz wurde auch die österreichische Provinz in den neueren Darstellungen nie zusammenhängend dargestellt, mit Ausnahme knapper Skizzen bei Kisbán, Zbudniewek und neuerdings Brunert.8Es gibt aber auch für keinen einzigen Konvent dieser Provinz eine ausführlichere Klostergeschichte. Da die Provinz erst 1710 bzw. 1700 gegründet wurde, beschränkt sich meine Darstellung, von einigen Rückblicken abgesehen, auf das 18. Jahrhundert.

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