Elmar L. Kuhn

Die Gesellschaft Oberschwaben 1945-49


Die weiteren Tagungen

Am 18. Februar 1947 genehmigte die französische Militärregierung und am 12. August 1947 der Kultminister des Landes Württemberg-Hohenzollern, der Ravensburger Oberbürgermeister Albert Sauer (*Lutz 2002-2003. *Raberg 2002, Sauer und 2004, S. XCIVf.) die gemeinnützige Stiftung Gesellschaft Oberschwaben. Damit konnten zum 11. Oktober 1947 zur ersten ordentlichen Generalversammlung der Gesellschaft eingeladen und ihre Organe förmlich gewählt werden. Josef Rieck erinnerte in seiner Begrüßung an das bei der Gründungsversammlung formulierte Ziel, in Aulendorf „einen freien geistigen Tauschplatz, einen Sammelpunkt für die lebendigen Kräfte des heutigen Denkens schaffen“ zu wollen. Dieses Ziel sei sehr unterschiedlich aufgefasst worden. Er hoffte, dass „wir wieder gemeinsam wissen, welches die Realitäten sind ..., dass wir übereinstimmen, in dem was wir zu erhoffen und anzustreben haben, dass wir endlich aus diesem gemeinsamen Wissen zu einem gemeinsamen Handeln kommen, zu einer Sicherheit, was zu tun ist“ aus der Verantwortung des Glaubens (11. 10. 1947). Der Sekretär der Gesellschaft, Baron Schenk von Stauffenberg, war bei der vorbereitenden letzten Sitzung des vorläufigen Kuratoriums am 28. September 1947 deutlicher geworden. Er sprach von den „zahlreichen Missverständnissen“ und von der vielfachen Enttäuschung über die Aulendorfer Aktivitäten. In diesem Zusammenhang berichtete er von dem mittlerweile erfolgten Austritt des Fürsten Waldburg-Zeil aus dem Kuratorium. Er grenzte sich nach zwei Seiten ab: „Wir wollen nicht sein Revolutionäre um des Umsturzes willen und wir wollen nicht sein gleichsam denkmalpflegerische Reaktionäre nur um der Erhaltung des Bestehenden willen.“ „Man wird hier eben so wohl über Kapitalismus wie Sozialismus, Liberalismus wie Katholizismus reden können und müssen.“ „Jede fundierte Meinung und Überzeugung soll, wenn sie nur auf dem Urgrund christlichen, oder um es genauer zu sagen, in einem weiten Sinn katholischen Glauben, getragen ist, hier zu Worte kommen können.“ Er vertraute, dass „dieses unser oberschwäbisches Land in seiner menschlichen Substanz genügend lebendige Kräfte birgt, um es zu einer konstruktiven Rolle in der Gestaltung unserer und der kommenden Zeit zu befähigen“, verwies auf die „führenden Geister“ der Vergangenheit aus Klöstern, Reichsstädten und Adel und setzte die größte Hoffnung auf den Bauernstand, in dem sich „unverbrauchte, unverbildete und in ihrem Christentum intakt fundierte Menschen finden, mit denen sich die Zukunft gestalten lässt“. Mit seiner Kritik an „bürgerlicher Behäbigkeit“, „feudalistischem Anachronismus“, an der Politik und den Parteien mit ihrer „jämmerlichen Postenjägerei, Liebedienerei und ... Verantwortungslosigkeit“ wird der Sekretär aber fast alle Repräsentanten der Region vor den Kopf gestoßen haben (28. 9. 1947).

Die Gremien konnten bei der Generalversammlung dennoch zunächst hochrangig besetzt werden. Die Anwesenden „beriefen“ 25 vorgeschlagene „Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der verschiedensten Berufe in das „endgültige Kuratorium“, von denen in der Pressemitteilung „Kultminister Dr. Sauer und Minister Prof. Dr. Schmid, Tübingen [beide eigentlich noch Staatssekretäre und erst ab 22. Juli 1947 Minister], Kultminister Bäuerle aus Stuttgart, Inge Scholl, die Leiterin der Ulmer Volkshochschule, der Maler Wilhelm Geyer und als Vertreter der Oberschwäbischen Akademie Prof. Dr. Ernst Michel, Prof. Dr. Stier und Stadtpfarrer Bernhard Hanssler“ hervorgehoben wurden. Das Kuratorium wählte Dr. Gerhard Storz, evangelischer Studiendirektor in Schwäbisch Hall, Germanist und Schriftsteller, zu seinem Präsidenten (*Munzinger-Archiv 1983) und bildete einen Arbeitsausschuss aus sieben Personen: Staatssekretär Dr. Paul Binder-Tübingen, der Maler Wilhelm Geyer-Ulm, Regierungsrat Dr. Walter Münch-Tettnang (*Klöckler 2002, Münch. *Schaaf 1981), Landrat Oskar Sailer-Ravensburg (*Falk 1996, Sailer), der evangelische Stadtpfarrer Hilmar Schieber-Leutkirch, Inge Scholl-Ulm (*Schüler 1996, 2000, 2002), der Theologe Prof. Dr. Fridolin Stier-Tübingen (*Sitarz 1999). Dem Vorstand gehörte als Leiter der Akademie von Amts wegen Josef Rieck an, als Sekretär wurde Baron Schenk von Stauffenberg bestätigt und als Vorsitzender des Vorstands der Saulgauer Landrat Dr. Karl Anton Maier (*Weber 1996) gewählt. Von etlichen der Gewählten waren nach ihrer Wahl keinerlei Aktivitäten mehr zu verzeichnen.

Den Festvortrag hielt der von Rieck als Leiter der oberschwäbischen Akademie vorgesehene und ersehnte Frankfurter Prof. Dr. Ernst Michel über die „Verantwortlichkeit des Geistes“ als „Beitrag zur geistigen Orientierung in unserer geschichtlichen Stunde“ (Vgl. *Schütz 2002, Michel, S. 58). Er forderte eine „conversio und renovatio des Geistes“, eine „Umkehr der wissenschaftlichen Erkenntnis“ (1). Er verlangte von ihr, nicht nur zu sagen, „was ist“, sondern auch „zu weisen, was sein soll“. Bei letzterem unterschied er zwei Richtungen, „die philosophische Haltung Platons und die prophetische des Jesaia“ (4). Der platonischen Haltung, der er auch Hegel und Marx zurechnete, warf er vor, ahistorisch „über der Welt ein Reich der ‚Wahrheit an sich’“ (4) zu errichten. Der prophetische Geist „empfängt immer nur eine Botschaft für eine Situation“ (6). Solche situationsbezogene Wahrheit sei „notwendige Erkenntnis“, die „aufrüttelnd ins Leben eingreift“ (8). Mit diesen allgemeinen Ausführungen zur Geschichtlichkeit wissenschaftlicher Erkenntnis und wenig konkreter Aufforderung zu kritischer, praxisbezogener Wissenschaft wird der Redner seine Zuhörer einigermaßen ratlos hinterlassen haben. Deutlicher argumentierte er wenig später in der Programmschrift der Gesellschaft „Renovatio“ zum Zeitbezug von Glauben und Kirche (°Michel 1947).

Zur Umsetzung des Programms blieb wenig Zeit, denn mit Generalversammlung war der Zenit der Aktivitäten der Gesellschaft schon überschritten. Einige der wichtigsten Tagungen hatten 1947 noch vor der Generalversammlung stattgefunden. Im Frühjahr 1947 hatte die Gesellschaft vom Staatssekretär für Finanzen Dr. Paul Binder, Gründungsmitglied der Gesellschaft, den Auftrag erhalten, eine Denkschrift zur Bodenreform auszuarbeiten und veranstaltete zu diesem Thema, „das in der politischen Diskussion der letzten beiden Jahre einen ganz unverhältnismäßig grossen Raum“ einnahm, am 22. März eine Arbeitstagung, an der auch wieder der Präsident des Staatssekretariats, Staatsrat Prof. Dr. Schmid, teilnahm. Nach der hier erarbeiteten Denkschrift über „Sesshaftmachung und Agrarreform“ sollten vor allem „genossenschaftliche Selbsthilfesiedlungen und umfassende Dorfgenossenschaften“ gefördert werden (22. 3. 1947). Damit hätte die Möglichkeit bestanden, endlich einmal die „erarbeiteten grundlegenden Erkenntnisse im praktischen Leben zu verwirklichen“ (°Messerschmid 1946, S. 9). Aber obwohl Denkschrift und Gesetzentwurf an den Präsidenten, Staatsrat Prof. Dr. Schmid, und später an seinen Nachfolger, Staatspräsident Dr. Lorenz Bock, übermittelt wurden, blieben sie im weiteren Gesetzgebungsverfahren unbeachtet.

Vom 18. bis 20. Juni trafen sich Kirchenmusiker zu einer Aussprache über „Fragen einer liturgisch lebendigen kirchenmusikalischen Praxis“ und der Gründung einer Hochschule für Kirchenmusik in Buchau. Hier wurden in der Diskussion Maßstäbe des geschichtlich Angemessenen entwickelt, wie es dem Denken Ernst Michels entsprach: „Es ist eine Gefahr für die geschichtliche Entwicklung der Kirche, eine Form zu verabsolutieren und zum Maß für geschichtliches Werden im Raum zu machen.“ (18. 6. 1947). Zwei Kirchenkonzerte im Rahmen dieser Tagung blieben außer der späteren Lesung von Stefan Andres die einzigen Veranstaltungen der Gesellschaft, die der Öffentlichkeit zugänglich waren.

An der Tagung über “Volkshochschule und Erwachsenenbildung“ am 27. Juni 1947 nahmen u.a. auch der zuständige Tübinger Staatssekretär für Kultus Dr. Sauer und Inge Scholl teil, die in Ulm seit April 1946 eine Volkshochschule leitete, deren Angebot etwa Max Bill als „Lichtblick ... innerhalb Deutschlands“ lobte (*Schüler 2000, S. 322). Es wurden die verschiedenen Konzeptionen diskutiert, wie sie etwa in Südwürttemberg durch Reutlingen und Ulm repräsentiert wurden. Wesentliche Aufgabe sei, „die jungen Leute zu selbständigem Denken zu veranlassen“. Rieck hob hervor, „Ulm hat Format und Niveau, entdeckt die richtigen Leute, die etwas zu sagen haben, ob Christen oder Nichtchristen, ob Sozialisten oder nicht“ (27. 6. 1947). Die „richtigen Leute“ waren v.a. Männer, die auch in Aulendorf auftraten: Ernst Michel, Theodor Steinbüchel, Hugo Häring, Karl Schmid, Wilhelm Geyer.

Die Archivare trafen sich zu zwei weiteren Tagungen 1947 und 1948 jeweils im Mai. Baron Schenk von Stauffenberg als Sekretär der Gesellschaft begrüßte sie: „Ihre Arbeit ist sehr eng mit unseren Bestrebungen verwandt“. Beide Male ging es in den Diskussionen um die landesgeschichtliche Methodik immer auch um Folgerungen für die Neugestaltung des politischen Gemeinwesen. 1947 referierte Karl-Siegfried Bader, Leiter des Fürstlich Fürstenbergischen Archivs in Donaueschingen und Generalstaatsanwalt von (Süd-)Baden (*Hilpert 1999. *Maurer 1996), über „Die historische Landschaft“ und bestritt gegen Otto Feger, dass „historische Landschaftsbildung und politische Neugestaltung enger verbunden werden können“. Dagegen beharrte Feger, der über „Die Erziehung zum landesgeschichtlichen Denken“ sprach, darauf, dass „die historische Landschaft eine kulturelle und eine verwaltungspolitische Bedeutung“ hat (Prot. 2./3. 5. 1947).

In der zu erwartenden Konkretion bei der dritten Tagung 1948 gelangte der Wurzacher Salvatorianerpater Dr. Kempter nicht über das Resümee hinaus: „Nach fast tausendjährigem Eigenleben im Reichsverband ist Oberschwaben auch heute als eigener Organismus zu betrachten.“ Otto Feger dürfte dagegen in der Diskussion des Vortrags mit seiner Charakteristik dem Selbstverständnis den Intentionen der Gesellschaft Oberschwaben nahegekommen sein: „Oberschwaben ist ein typisches Land des Ausgleichs von Spannungen“ (Prot. 22.-23. 5. 1948).

Schon bei der ersten Tagung hatten Otto Feger und der Archivar des Fürsten von Waldburg-Zeil, Rudolf Rauh, die Herausgabe einer „Zeitschrift für Schwäbische Geschichte“ vorgeschlagen, um die Bindung der Landesgeschichte an die Grenzen des 19. Jahrhunderts zu überwinden (*Klöckler 2002, Archivtage, S. 192ff). Zu Herausgebern wurden der württembergische Staatsarchivar und Oberschwabe Karl Otto Müller und der Freiburger Stadtarchivar Friedrich Hefele bestimmt, der Mitinitiator Otto Feger durfte nur als Schriftleiter auftreten, da die Zeitschrift nicht zu sehr mit dessen Vorstellungen „Schwäbisch-Alemannischer Demokratie“ in Verbindung gebracht werden sollte. Räumlich wollte sich die Zeitschrift mit eben der Geschichte eben des „Gesamtschwabens“ befassen, dessen politische Autonomie Feger propagierte. Im Editorial ließen die Herausgeber die verschiedenen Begriffe von Schwaben in der Geschichte Revue passieren, um zum Schluss zu kommen: „So verschieden und mannigfaltig die Begriffe und Vorstellungen sind, ist ihnen doch eines gemeinsam, nämlich der schwäbische Gedanke, der eben kein Phantom ist, sondern vielseitig bedingte, noch heute lebendige Wirklichkeit“. Leider ließen sie sich nicht darüber aus, was denn nun der „schwäbische Gedanke“ sei. Nach einer Schilderung der unbefriedigenden Forschungs-, Archiv- und Quellensituation wurde auch eine veränderte Thematik und Methodik angedeutet: „Die Wandlung der geschichtlichen Anschauungen nach zwei verlorenen Kriegen und furchtbaren Kriegserlebnissen wird sich auch in den Aufsätzen dieser Zeitschrift bemerkbar machen. ... (Man wird) seine Aufmerksamkeit eher den sozialen und wirtschaftlichen Zuständen in den schwäbischen Landschaften zuwenden.“(°Stadtarchiv Konstanz Fe 7/6). Bei der zweiten Tagung der Archivare 1947 konnte Feger seinen Kollegen Probeseiten der geplanten Zeitschrift vorlegen, aber bei der dritten Tagung 1948 hatte die Militärregierung in Baden-Baden immer noch keine Lizenz für den Druck erteilt und ließ sich auch nicht von dem Argument Fegers beeindrucken, dass er sich „davon auch eine Beeinflussung des Geschichtsbildes in der Richtung der landschaftlichen Tradition verspreche“ (6. 2. 1948). Bei der vierten Archivtagung 1949 wurde das Projekt beerdigt, nachdem alle früheren landesgeschichtlichen Zeitschriften wieder erschienen waren.

Wohlbedachte Ziele, große Hoffnungen, baldiges Scheitern: Nicht anders als der Zeitschrift ging es einem anderen regionalhistorischen Projekt, das überdies anders als die Zeitschrift unter dem Dach der Gesellschaft Oberschwaben verbleiben sollte. Gleichzeitig zu ihrer ersten Generalversammlung und zur Festsitzung mit der Rede von Prof. Ernst Michel hatte die Gesellschaft zur „Gründungsversammlung des Instituts für oberschwäbische Landeskunde“ am 11. Oktober 1947 im Schloss Aulendorf eingeladen (*Schütz 2002, Landschaftsbewusstsein). Der Initiator und als Leiter des Instituts vorgesehene Zeiler Archivar Rudolf Rauh verfolgte ähnlich wie sein Freund Otto Feger nicht nur wissenschaftliche Ziele: „Das Institut dient in erster Linie der strengwissenschaftlichen Arbeit in Oberschwaben, will aber auch das schlummernde Landschaftsbewusstsein erwecken und fördern“ (22. 9. 1947), wenn er auch, „um umlaufenden falschen Gerüchten vorzubeugen, ... mit politischen Dingen jeder Art absolut nichts zu tun“ haben wollte. In seiner programmatischen Rede in der Gründungsversammlung umriss Rauh die Aufgaben des Instituts in einer Landschaft, die „jeder kulturellen Institution und eines Tauschplatzes geistiger Interessen“ bis zur Gründung der Gesellschaft Oberschwaben entbehrte (11. 10. 1947). An konkreten Projekten schlug er den Aufbau einer Forscherkartothek, die Herausgabe einer oberschwäbischen Bibliographie, die Publikation von Archivinventaren, eines historischen Atlasses und eines Katalogs aller handschriftlichen Karten sowie die Inventarisation der mittelalterlichen Inschriften neben einer Vielzahl mittelfristiger Vorhaben vor. Dem Institutsleiter sollte ein engerer Mitarbeiterkreis zur Seite stehen, der aus den Referenten von zwölf „Disziplinen“ historischer Teilgebiete und benachbarter Räume bestand, und sich mit einem weiteren Kreis zu jährlich zwei Tagungen traf. Alle Mitarbeiter sollten ehrenamtlich tätig werden. Rieck versprach sich von der Arbeit des Instituts die Einlösung der schon bei der Gründungsversammlung artikulierten Hoffnungen, „die noch lebendige Tradition dieser Landschaft wieder allgemein bewusst zu machen“, und der Sekretär Schenk von Stauffenberg erhoffte gar „Grundlagen ...für die Planung der Zukunft“ (11. 10. 1947). Es blieb bei zwei Arbeitstagungen zur historischen Kartographie schon am 27. September und der Kunsthistoriker am 13. Dezember 1947. Die für 1948 von Rauh geplanten 15! Tagungen kamen nicht mehr zustande. Im Herbst 1948 gab Rauh die Leitung des Instituts auf, wohl auch wegen der Differenzen der Gesellschaft mit seinem Dienstherrn, den Fürsten Waldburg-Zeil. Der Ehinger Lektor Herbert Karl Krafft, der bereits Arbeiten zu einer oberschwäbischen Psychologie aufgenommen hatte, sollte Nachfolger Rauhs werden, wurde aber nicht mehr aktiv.

Hatten vor der Generalversammlung vier Sitzungen des Kuratoriums und vierzehn Tagungen stattgefunden, so beschränkten sich die Aktivitäten der Gesellschaft nach ihrer formellen Gründung noch auf drei Sitzungen des Kuratoriums, fünf Tagungen und einer öffentlichen Lesung des Schriftstellers Stefan Andres (*Braun 1997). Am 5./6. November 1948 hatten sich nochmals die Architekten und Städtebauer getroffen, um „die Rolle der Architektur in einer fruchtbaren Bau- und Kulturpolitik“ zu besprechen (13. 11. 1948). Die Archivare trafen sich letztmals am 7. und 8. Mai 1949 in Aulendorf und befassten sich nur noch mit fachwissenschaftlichen Themen. Auf ihrer letzten Tagung vom 8. bis 10. Juni 1949 kehrte die Gesellschaft auf Anregung des Gründungs- und Kuratoriumsmitglieds Paul Binder zu ihren ursprünglichen Anliegen zurück: „Christliches Tun in der heutigen konkreten Situation“. Prof. Dr. Müller-Armack-Münster, Autor des Buches „Das Jahrhundert ohne Gott“ (*Munzinger-Archiv 1978) referierte über „Soziale Irenik (Die geistigen Positionen der Gegenwart und die Möglichkeit ihres Zusammengehens in der praktischen Sozialgestaltung)“ und Dr. Carl H. Mueller-Graaf, Autor des Buches „Irrweg und Umkehr. Betrachtungen über das Schicksal Deutschlands“ (*Munzinger-Archiv 1964) über „Christentum, Volksstaat und Flüchtlingsproblem“, außerdem wurde das Thema der „Volkslehrerbildung“ besprochen. Leider ist über Ergebnisse dieser hochkarätig besuchten Tagung nichts bekannt.

Institutionell und personell waren zu diesem Zeitpunkt die Aulendorfer Unternehmungen bereits geschwächt. Anfang 1948 war Baron Schenk von Stauffenberg als Sekretär aus dem Vorstand der Gesellschaft ausgeschieden, Rieck hatte nun auch diese Aufgabe zu übernehmen. Die Akademie hatte nie ihre Arbeit aufgenommen, da Ernst Michel sich weigerte, auf Dauer nach Aulendorf zu kommen (ebenso wie er eine Berufung zum Direktor der Pädagogischen Akademie Reutlingen ablehnte). Rieck und Michel brachen Ende 1948 zeitweise ihre Verbindungen ab. Das Institut für oberschwäbische Landeskunde kam nicht über Anfänge hinaus. Die Räume im Schloss waren mit Ausnahme des Marmorsaals als Tagungsraum aufgegeben worden. Der Präsident der Gesellschaft Gerhard Storz absolvierte mit der Einführung zur Lesung von Stefan Andres einen einzigen Auftritt bei der Gesellschaft, der Vorsitzende des Vorstands, Landrat Karl Anton Maier, trat offiziell nie in Aulendorf in Erscheinung. Die Währungsreform vernichtete das Stiftungsvermögen der Gesellschaft. Rieck musste sich verstärkt den Geschäften seiner Buchhandlung widmen.

So war die Stimmung bei der Sitzung des Arbeitsausschusses am 10. Juni und des Kuratoriums am 15. Juli 1949 gedämpft. Zu beiden Sitzungen kamen nur noch wenige Aktive: Rieck, Schenk von Stauffenberg, Häring und Münch, zu jeweils einer noch Binder, Geyer und Schieber. Die Gründer äußerten sich resignativ: „Das Problem aller Tagungen ist, dass nie Leute beisammen sind, die eine gemeinsame Grundlage haben... Wir glaubten, es gäbe Menschen, die eine geistige Einheit bilden.“ (Rieck). „Wir haben immer versucht, die Idee reinzuhalten und das Niveau zu halten und wir sind meinem Gefühl nach daran gescheitert.“ (Schenk von Stauffenberg 15. 7. 1949). Die anderen Kuratoren zogen eine positivere Bilanz: „Die Arbeit der Gesellschaft ist doch sehr in die Herzen der Menschen versenkt.“ (Häring 10. 6. 1949). Indirekte Kritik an der bisherigen Praxis wurde geübt, wenn vorgeschlagen wurde, mehr an die Öffentlichkeit zu gehen, den Bezug der einzelnen Tagungen zu den Zielen der Gesellschaft deutlicher zu machen und sich mehr mit Oberschwaben zu befassen. „Was eigentlich kann Oberschwaben für sich in Anspruch nehmen. Darauf weiss niemand eine Antwort.“ (Münch 15. 7. 1949). Schließlich einigte man sich, „die Tätigkeit der Gesellschaft Oberschwaben, die sich als Ort der Zusammenkunft bewährt habe, bald wieder in ähnlicher Weise wie früher aufzunehmen“. Besonders wollte man sich den Aufgaben zuwenden, „die der Gesellschaft im Zusammenhang mit den in naher Zukunft zu erwartenden Veränderungen im südwestdeutschen Raum und im Hinblick auf eine Planung für Oberschwaben als geistigem Werkraum erwachsen“, um sich „Garantien (zu) schaffen ... gegenüber dem Stuttgarter Zentralismus“ (15. 7. 1949). Es sollten die letzten Sitzungen und Planungen der Gesellschaft bleiben.Mit der Abwehr des Stuttgarter Zentralismus scheiterten auch die in Oberschwaben hegemonialen und Aulendorf misstrauisch gegenüberstehendenden politischen Kräfte (*Kuhn 1998. *Pfefferle 2002)

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