Elmar L. Kuhn

Die schwäbische Provinz des Paulinerordens ...


Die Provinz

Andreas Eggerer berichtet, 1340 seien zwei Männer im eremitischen Gewand aus Schwaben im Auftrag „totius confraternitatis“ zum Generalkapitel gekommen und hätten um Aufnahme in den Orden gebeten „sub uno D. Pauli primi eremitae titulo“. In den Rheingegenden hätten einst Eremiten in zerstreuten Zellen gewohnt, aber im Laufe der Zeit die Einsamkeit verlassen, sich zu Gemeinschaften zusammengeschlossen, Oratorien erbaut und die zönobitische Lebensweise aufgenommen. General und Definitoren entsprachen der Bitte, vereinigten die Konvente als „Rhenanam provinciam corpori proto-eremitici“ und forderten sie auf, einen Provinzial zu wählen47. Der General Nikolaus Teutonicus (1330-36, 1341-45) reiste bald darauf „in patriam suam Sueviam“ und soll mit Hilfe des Adels weitere Klöster gegründet haben, so dass schließlich sechzehn Klöster zur Provinz zählten48.

In seinem Visitationsbericht von 1718 kommt auch der General Dr. Johannes Kristolovecz auf Entstehung und Namen der Provinz zu sprechen49. In den deutschen Häusern, außer Langnau, hätten ursprünglich Laieneremiten gewohnt, die von ihrer Hände Arbeit lebten, wie man noch einige in Schwaben sehen könne, die dann den Pauliner-Habit angenommen hätten. Die Provinz werde rheinisch-schwäbisch genannt, aber es gebe keine Paulinerklöster mehr am Rhein. Fast alle Klöster der Provinz seien in der Reformation zugrundegegangen und die Güter von den Ketzern geraubt worden, ähnlich wie in Ungarn von den Türken. Aber so wie Könige Titel von Provinzen führten, die sie gar nicht mehr beherrschten, so habe die Provinz ihren alten Namen behalten. Die deutsch-rheinische oder schwäbische Provinz war also nach der Ordensüberlieferung die erste Bildung einer Ordensprovinz außerhalb Ungarns. In der vor 1381 redigierten ersten bekannten Fassung der Konstitutionen wurde die Provinzialverfassung bereits vorausgesetzt50.

Die chronikalische Überlieferung wird durch Kopien der päpstlichen Bulle von 1328 bestätigt, die 1333 und 1341 ungarnische Bischöfe ausdrücklich für die Geistlichkeit in Deutschland ausgestellt haben51. 1335 hat denn auch Graf Philipp von Sponheim verfügt, dass die Eremitenkapelle auf dem Donnersberg in der Rheinpfalz demPaulinerorden übergeben werden sollte, was allerdings erst 1370 realisiert werden konnte52. Merkwürdig bleibt, warum die Eremitorien „in der Awe prope oppidum Sulz“ und „Tennebach“, aus denen die Vertreter 1340 nach Ungarn kamen, später nie mehr erwähnt werden, auch bis heute nicht genau lokalisiert werden können, dagegen die sicheren Ersterwähnungen von Paulinerklöstern in Schwaben erst 1351 einsetzen. In fünf Eremitorien, die später zu Paulinerklöster umgewandelt wurden, lebten nach 1340 noch Eremiten ohne Anschluß an den Orden: in Tannheim vor 1353, in Rohrhalden 1342 und 1348, in Argenhardt 1355, in Anhausen 1359 und auf dem Donnersberg bis 137053.

Eine vermittelnde Rolle beim Anschluß der schwäbischen Eremiten an den Paulinerorden und vielleicht bei den frühen Klostergründungen mögen Konrad und Ulrich von Wolfurt gespielt haben. Ihre Stammburg stand in Vorarlberg, sie hatten aber auch Besitzungen am nördlichen Bodenseeufer nahe bei den Paulinerklöstern Argenhardt und Langnau sowie im Thurgau bei der kurzzeitigen Paulinerniederlassung Blümlistobel. Konrad von Wolfurt kämpfte im Dienste der Anjou 1347-1351 in Italien, wurde vom ungarischen König 1355 als Gesandter an den päpstlichen Hof in Avignon geschickt und erhielt in der Folge ebenso wie sein Bruder Ulrich Besitz in Ungarn, nahe bei dortigen Paulinerklöstern gelegen. Ulrich amtierte 1349 als Vizekönig von Neapel, zog 1351 mit König Ludwig von Ungarn nach Polen und Litauen und hielt sich anschließend am Hof König Ludwigs in Ungarn auf. Rudolf von Wolfurt, der Neffe von Konrad und Ulrich, gründete dann allerdings erst 1402 selbst ein Paulinerkloster in Bonndorf54.

Offizieller Name der Provinz war „Provincia Germano-Rhenana“. In den Acta generalia wird diese Bezeichnung relativ selten verwendet, meistens wird sie kurz rheinische Provinz genannt, fast ebenso häufig finden sich Provinz Schwaben oder schwäbische Provinz, gelegentlich schwäbisch-rheinische Provinz. Der Einfachheit halber wird hier in der Regel der Begriff schwäbisch verwandt, weil vier der im 17. und 18. Jh. noch bestehenden Klöster in Territorien des Schwäbischen Kreises lagen, eines in Schwäbisch-Österreich. Im 18. Jh. stand die rheinische Provinz nach Ungarn und Polen vor Istrien, Kroatien und Österreich (offiziell „Provincia Germano-Austriaca“) an dritter Stelle in der Rangfolge der Ordensprovinzen, obwohl sie die kleinste war.

Die Provinzverfassung bleibt in den vortridentinischen Konstitutionen, vor allem hinsichtlich des Provinzkapitels und der Kompetenzen der einzelnen Offiziale sehr unklar55. Auch die wesentlich systematischer gegliederten Konstitutionen von 1644 und 172556 behandeln das Provinzkapitel nur kursorisch, und auch der Analogieschluß aus den Bestimmungen über das Generalkapitel läßt Fragen offen.

Oberstes Organ der Provinz war das Provinzkapitel57. Die Kapitel fanden im 18. Jh. bis 1784 immer im Kloster Langnau statt. Nur nach dem 30jährigen Krieg tagten sie bis zur Wiederherstellung der Gebäude in Langnau einige Male in Rohrhalden und 1700 in Bonndorf. Während vorher die Termine zwischen Frühjahr und Herbst streuten, begann das Kapitel im späten 17. Jh. am Sonntag Jubilate, dem 3. Sonntag nach Ostern, meist Anfang Mai. Auf dem Generalkapitel 1715 wurde dieser Termin vom Generaldefinitorium auf Antrag der Provinz förmlich so festgelegt58. Aber bereits ab 1724 bürgerte sich ein neuer Termin ein, der 28. August, das Fest des Hl. Augustinus, dessen Regel der Orden angenommen hatte. Gelegentlich begannen die Beratungen auch am 14. September, dem Fest Kreuzerhöhung oder an anderen Septemberterminen.

Ich schildere den Verlauf eines Provinzkapitels am Beispiel des Jahres 1763, wozu die Acta generalia ein ausführliches Protokoll enthalten, zum Vergleich ziehe ich die Protokolle anderer Jahre hinzu59. Am Ende des Jahres 1762 macht der Provinzial Athanasius Mehrle nach vielen Demutsbekundungen den General auf die im nächsten Jahr anstehende Generalvisitation und das Provinzkapitel aufmerksam, lädt ihn dazu ein, dürfte aber auch die Hoffnung geäußert haben, dass ein Kommissar aus der eigenen Provinz beauftragt wird60. Am 21. Juli 1763 dankt der General Gerhard Thomasich von Maria Thal aus dem Provinzial, bekundet, wie ernst er seine Hirtenaufgabe nehme, bedauert, dass „infirma corporis valetudo“ die Reise nicht zulasse, beruft aber das Provinzkapitel auf 4. September 1763 nach Langnau ein und bittet um Benachrichtigung aller Kapitularen61. Dem Wunsch des Provinzials nach einem einheimischen Visitator will der General so bald nach dem Trennungsversuch von 1760 nicht entsprechen und beauftragt am 29. Juli 1763 seinen Stellvertreter, den Vizegeneral Dr. Carl Ordody als Kommissar, die Generalvisitation vorzunehmen und dem Kapitel zu präsidieren. Als Sekretär weist er ihm Sebastian Lintsching zu, der sechs Jahre lang als Feldpater ein Dragonerregiment in Ost-Mitteleuropa begleitet hat und nun mit dem Visitator in seine Heimatprovinz zurückkehrt62. Zum Sekretär des Generalvisitators wird wegen der Ortskenntnis meist ein Professe der visitierten Provinz berufen. Mit seinem Sekretär und der Vollmacht des Generals bricht Dr. Ordody alsbald zu seiner Reise nach Westen auf und erreicht am 13. August das Kloster Langnau, wo er mit der Visitation beginnt, setzt sie dann in Rohrhalden, Tannheim, Bonndorf und Grünwald fort und kehrt Anfang September wieder nach Langnau zurück63. Unterwegs, wie von Langnau aus, stattet der Vizegeneral landesherrlichen Höfen, dem Bischof und benachbarten Äbten Höflichkeitsbesuche ab.

Am 13. September treffen die auswärtigen Kapitularen ein und machen dem Kommissar ihre Aufwartung. Am Morgen des 14. September, des ersten Kapiteltags, feiert der Kommissar die Messe zum Hl. Geist64. Danach versammeln sich die Kapitularen im Kapitelsaal und hören die Ansprache Dr. Ordodys, der im Auftrag des Generals als Präses das ganze Kapitel leitet. Zunächst werden die Stimmberechtigungen überprüft. Stimmrecht haben vierzehn Personen, knapp ein Drittel aller Professen der Provinz: Der Kommissar als Präses, der Provinzial, der Vizeprovinzial, die vier Definitoren (womit bis auf Grünwald auch die Prioren aller Klöster vertreten sind65), der Sekretär des Kommissars, der Provinzialsekretär, die drei „discreti“ der Konvente von Langnau, Rohrhalden und Bonndorf, der Theologieprofessor und der „collega minor“ des Provinzials. Der ebenfalls stimmberechtigte Doktor der Theologie ist bereits als Definitor vertreten. Dann legt der Provinzial sein Amt nieder. In seiner Abwesenheit besprechen die Kapitularen seine Amtsführung. Da keine gravierenden Fehler festgestellt werden, kehrt Athanasius Mehrle in den Saal zurück und der Präses dankt ihm für sein lobenswertes Verhalten. Die Kapitularen gehen nun wieder in die Kirche, dort hält der Theologieprofessor Franz Leinsle eine Ansprache, und der Provinzialsekretär Ignatius Ruoff liest die Namen der Stimmberechtigten vor. Nach dem Hymnus „Veni creator spiritus“ erinnert der Präses an die Bestimmungen über die Wahlen in den Konstitutionen. Er nominiert den Wahlausschuß von drei „scrutatores“ und den Protokollanten des Kapitels, die alle einen Eid ablegen. Nacheinander geben die Kapitularen ihre Stimmen auf einem Zettel in ein Gefäß in der Kirche ab. Nach der Auszählung gibt der erste „scrutator“ den Namen des Gewählten bekannt. 1763 wird der bisherige Provinzial Athanasius Mehrle wiedergewählt, der sich 1760 als Vizeprovinzial gegen die Trennung der Provinz gewehrt und den General alarmiert hatte. Mit einem „Te deum“ und dem Gehorsamsgelöbnis der Kapitularen der Provinz schließt die Sitzung am ersten Kapitelstag.

Am Morgen des 15. September, dem zweiten Tag, liest der Provinzial die Messe zur Hl. Dreifaltigkeit. In der gleichen Abfolge wie beim Provinzial - „resignatio, examen, electio“ - erfolgt die Wahl des Vizeprovinzials, auch hier eine Wiederwahl von Johann Nepomuk Iagmeth, der 1762 als erster Definitor in das Amt des Vizeprovinzials nach dem Tod seines Vorgängers nachgerückt war. Nach der Resignation der Definitoren folgt deren Wahl, wobei drei im Amt bleiben und einer ausgewechselt wird. Danach haben die „discreti“ der Konvente Gelegenheit, „postulata“ vorzutragen, doch 1763 haben sie offenbar keine besonderen Wünsche. In anderen Jahren wird diese Möglichkeit durchaus genutzt. 1721 etwa bitten die „discreti“, dass auch die kleineren Konvente der Provinz einen „discretus“ entsenden und die Prediger am Kapitel teilnehmen können. 1769 sollen Taxen der bei der Provinzialvisitation anfallenden Reisekosten fixiert und die Senioren eines Konvents bei der Rechnungskontrolle beteiligt werden66. Als 1763 die Prioren resignieren und das „examen super administrationem officii et vitam“67 durchgeführt wird, trägt der Rohrhaldener „discretus“ schwerwiegende Anschuldigungen gegen den dortigen Prior Simon Mayer vor, der erst im gleichen Jahr zum Nachfolger des verstorbenen vorigen Priors ernannt worden war. Mayer wird zu den Vorwürfen befragt, eine Entscheidung verschieben die Definitoren auf den nächsten Tag. Am Nachmittag disputieren die Theologiestudenten Thesen, die ihr Professor Franz Leinsle dem Präses gewidmet hat.

Der dritte Kapitelstag beginnt mit einer Messe des Vizeprovinzials zu Ehren des Ordenspatrons, des Hl. Paulus. Erneut werden die Vorwürfe gegen den Rohrhaldener Prior untersucht und es bestätigt sich, dass er einen Diener und eine Magd protegiert und trotz Kritik des Konvents und Aufforderung bei der vorangegangenen Provinzvisitation nicht entlassen hat. Mayer wird die Würde des Definitors abgesprochen, das der Professe mit der nächstfolgenden Stimmenzahl erhält, und er verliert das passive Wahlrecht auf drei Jahre. Anschließend werden die Probleme mit P. Gregor Luzan besprochen, der als Provinzial 1759/60 die Trennung vom Orden betrieben hat, nun in Bonndorf und Grünwald Mitbrüder tätlich angegriffen hat und sich weiterhin als widerspenstig erweist. Ihm wird ein letztes Mal angedroht, dass er bei weiterer Opposition strenge Strafen zu erwarten habe. Der Präses wirft die Frage auf, wie die Obsignation, die Erfassung des Nachlasses eines verstorbenen Priors in Grünwald und Tannheim durch die fürstenbergischen Behörden verhindert werden könne. In der Nachmittagssitzung kommt die Klageschrift eines Exprovinzials über dessen „miserus status“68, die Notwendigkeit der Aufnahme von Novizen wegen Überalterung der Patres und die Bezeichnung der Professen im internen Schriftverkehr als Brüder, im externen aber als Patres zur Sprache. Mit der Diskussion der „articuli salutares“ endet die Sitzung.

Am Morgen des vierten Kapiteltags, dem 17. September, liest der Sekretär des Kommissars und Präses die Hl. Messe zu Ehren Mariens. Zu Beginn der Sitzung absolviert der Präses den Pater Simon Mayer wegen seiner bezeugten Reue vom Verlust des passiven Wahlrechts. Nach der Verlesung des Dekrets gegen P. Dr. Gregor Luzan wählt nun das Definitorium ohne die übrigen Kapitularen die fünf Prioren. Die sechs Mitglieder des engeren Definitoriums wählen vier ihrer Mitglieder zu Prioren, nur einer der Prioren gehört dem Definitorium nicht an. Erstmals seit 1751 ist der Provinzial wieder gleichzeitig Prior von Langnau. Wieder alle Kapitularen wählen Sebastian Lintsching, Sekretär des Kommissars, der eben aus dem Osten zurückgekehrt ist, zum „discretus“ der Provinz, also zum Vertreter der schwäbischen Konvente im Generalkapitel, und den Professor Franz Leinsle zum „condiscretus“. Der Provinzial ernennt den als Definitor abgesetzten, aber reumütigen Dr. Simon Mayer zu seinem Provinzialsekretär. Zuletzt werden an diesem Vormittag die Subprioren der drei formierten Klöster benannt, wobei der Subprior von Rohrhalden gleichzeitig als Novizenmeister und der Subprior von Langnau als Theologieprofessor fungiert. Am Nachmittag des 17. September endet das Kapitel. Die Kapitularen versammeln sich mit den übrigen Langnauer Konventualen und hören eine letzte Ansprache des Präses „de pace ac concordia servanda in religiosis communitatibus“ sowie die „articuli salutares“, die Anordnungen, die der Präses aufgrund seiner Visitation hinterlässt. 1763 geht es um die Studienordnung, die Rechnungskontrolle und die Unterschriften unter die Berichte der Konvente an das Provinzkapitel. In der Regel werden dann die Namen der Wohltäter und der seit dem letzten Kapitel verstorbenen Brüder, die Besetzung der Ämter und die Neuverteilung aller Professen auf die einzelnen Konvente verlesen und Schlussgebete gesprochen, was aber 1763 nicht eigens erwähnt wird69.

Am nächsten Tag gilt es noch die Reisekosten zu regeln, dann bricht der Kommissar nach Friedensgruß und Segen wieder auf und trifft am 4. Oktober wieder in Maria Thal ein. Dort übergibt er dem General seinen Visitations- und Kapitelsbericht und die getrennten Bittschreiben des Definitoriums und des Provinzials um Bestätigung der neugewählten Offizialen. Gelegentlich werden sie gerügt, wenn sie die vorgeschriebene Form nicht genau einhalten. Aber 1763 bestätigt der General Dr. Gerhard Tomasich ohne jeglichen Anstand Provinzial, Vizeprovinzial und Definitoren in ihren Ämtern. Er hofft, dass der wiedergewählte Provinzial „spiritu Dei plenus et observantiae regularis bonique communis promovendi zelo flagrans opportunitate doctrinae et vitae integritate infirma confirmet, disrupta consolidet et depravata convertat, quatenus commissae sibi familiae status citius reflorescat“70.

Die Abfolge der einzelnen Tagesordnungspunkte blieb stets die gleiche und war von den Konstitutionen vorgeschrieben, doch je nach Dauer der einzelnen Beratungen konnte sich die Verteilung auf die einzelnen Tage verschieben. Die Wahl des Provinzials erfolgte aber fast immer am ersten Tag.

Zum sogenannten Zwischenkapitel („capitulum provinciale intermedium“) enthalten die Konstitutionen keinerlei Bestimmungen. Sie fanden offensichtlich jedes Jahr zwischen den Wahlkapiteln vor oder nach der Visitation durch den Provinzial statt. Es tagte jeweils in einem der kleineren Klöster Bonndorf, Grünwald oder Tannheim. Zu ihm reisten jeweils nur die Mitglieder des Definitoriums, Provinzial, Vizeprovinzial, evtl. Exprovinzial, Definitoren, Provinzialsekretär, Professor, Doktor ohne die discreti, maximal zehn Personen, jede mit Knecht und Pferden, an71. An Inhalten der Beratung sind nur „mutationes“, Versetzungen von Professen, und gelegentlich die Wahl eines Priors nach einer Resignation oder einem Sterbefall überliefert. Ausführlich dokumentiert ist nur das Zwischenkapitel 1759 in Grünwald, wo über die Separation der Provinz und die Bedingungen für die Unterstellung unter den Bischof beraten wurde72.

Die Konstitutionen des 15. und 16. Jh. hatten die Amtszeit des Provinzials noch nicht normiert. Soweit die unvollständigen Ämterlisten einen Eindruck zulassen, gab es sowohl sehr kurze, wie sehr lange Amtszeiten. Johannes Bader (1496-1517) und Johannes Vogt (1553-1575) amtierten jeweils über zwanzig Jahre sowohl als Provinziale wie als Prioren von Langnau. Die Konstitutionen von 1644 erlaubten nur noch Amtszeiten von drei Jahren mit der Möglichkeit einer einmaligen unmittelbaren Wiederwahl und späteren Wiederwahl nach der Amtszeit eines anderen Provinzials. Diese Vorschrift wurde ab 1645 mit zwei Ausnahmen eingehalten, jeweils zweimal hintereinander wurden Rudolph Servilian Weixler (1668-1677) und Sebastian Lintsching (1769-1778) wiedergewählt. Für Lintsching überbrachte General Paul Esterhazy einen entsprechenden Dispens des Hl. Stuhls73. Die meisten Provinziale des späten 17. und des 18. Jh. verwalteten ihr Amt maximal sechs Jahre. Wesentlich länger blieben im Amt der genannte Provinzial Weixler mit insgesamt 31 Jahren in elf Wahlperioden zwischen 1637 und 168874, Augustin Scheible mit fünfzehn Jahren in fünf Wahlperioden zwischen 1691 und 172475, Bernhard Pfender mit zwölf Jahren in vier Amtsperioden zwischen 1696 und 172176, Franz Wizigmann mit zwölf Jahren in vier Perioden zwischen 1724 und 174577 und Sebastian Lintsching mit elf Jahren in vier Perioden zwischen 1769 und 178378. Zweimal zeichnet sich über längere Perioden eine Machtteilung von zwei Personen ab, die sich in den Ämtern des Provinzials und Vizeprovinzials abwechselten: 1696-1724 Scheible und Pfender, 1769-1781 Lintsching und Johann Iagmeth.

Das Amt des Provinzials war fast immer mit dem Amt eines Priors verbunden. Im 15. und 16. Jh. war in der Regel der Prior von Langnau auch Provinzial, einige Male auch der Prior von Anhausen, je einmal fungierten die Prioren von Donnersberg, Rohrhalden und Tannheim als Provinziale. In der Hälfte der Jahre des 17. Jh. waltete wiederum der Prior von Langnau als Provinzial, den Rest teilten sich die Prioren von Rohrhalden, Grünwald und Tannheim. Im 18. Jh. übernahm nach den wiederum dominierenden Prioren von Langnau der Prior von Bonndorf immerhin in fünf Perioden das Amt des Provinzials, je einmal die Prioren von Grünwald und Tannheim. In Langnau wie in Rohrhalden wurden ein Flügel der Klostergebäude, in Tannheim ein geräumiges Eckzimmer als Provinzialat bezeichnet.

Um 1660 und wieder ab Anfang des 18. Jh. drängte die Ordensleitung auf die Trennung des Amts des Provinzials von dem des Priors, wogegen die Provinz sich auf ihr „altes Herkommen“ berief79. Auch wies die Provinz den General 1733 darauf hin, daß die Konstitutionen die Verbindung beider Ämter nicht verboten80. Bei einer Ämterkumulation hatte der Provinzial sich selbst als Prior zu kontrollieren. In der schwäbischen Provinz visitierte deshalb der Vizeprovinzial das Kloster des Provinzials81. In der Visitation von 1718 konnte der General die Ämtertrennung ab 1721 durchsetzen. Doch bereits 1732 erlaubte der apostolische Visitator der Luzerner Nuntiatur wieder die Verbindung beider Ämter82. Von 1751 bis 1763 blieben Provinzialat und Priorat nach dem Willen der Generäle nochmals getrennt83. Die Verbindung beider Ämter ersparte der Provinz Kosten für eine eigene Besoldung des Provinzials. Während der Trennungsphase ab 1721 wurde der Provinzial zunächst aus dem eingebrachten Erbe der Novizen unterhalten. Auf Intervention des Generals hatten ab 1730 die Klöster in einer Umlage für den Unterhalt des Provinzials aufzukommen, während das Beibringen der Novizen als Kapital ausgeliehen und die Zinsen für die Taxen an General und Ordensleitung verwendet werden sollten84.

Zu den wichtigsten Aufgaben des Provinzials zählte die jährliche Visitation der Klöster der Provinz. Die Klosterchroniken berichten darüber kaum, erwähnen gelegentlich Besuche des Provinzials aus diesem Anlass beim Fürstabt von St. Blasien und am Hof in Donaueschingen und vermerken missbilligend, dass der Provinzial Lintsching 1774, wohl inspiriert durch den Aufwand seines Generals zwei Jahre zuvor, mit Sekretär und zwei Dienern auf vier Pferden anreiste und sich zehn Tage in Bonndorf aufhielt85. Gewesene Provinziale erhielten den Ehrentitel „pater provinciae“ und gehörten weiterhin dem Definitorium an.

Den Provinzial unterstützten in seiner Verwaltung, vor allem im Schriftverkehr, der „collega minor“ und der Provinzialsekretär, die beide vom Provinzial selbst berufen wurden86. Die Vizeprovinziale vertraten die Provinziale, entschieden im Definitorium mit und rückten im Todesfall eines Provinzials in dessen Amt bis zum nächsten Wahlkapitel nach. Im 17. Jh. finden sich nur drei Vizeprovinziale, im 18. Jh. nur einer, die nicht vorher oder nachher als Provinziale amtierten. Nach dem Tod des Provinzials Lintsching 1783 und nach der Auflösung der Provinzverfassung 1784 wurde das Amt des Vizeprovinzials nicht mehr besetzt.

Wenn man die Machtbalance in der Provinz zu bestimmen versucht, hat man den Eindruck, dass im 15. Jh. der Provinzial die absolut dominierende Person ist87. Im 16. Jh. verliert er offensichtlich an Einfluß und kann sich nur schwer gegen die Prioren durchsetzen. Nach der Wende zum 17. Jh. können die Provinziale ihre Stellung wieder ausbauen. 1636 beansprucht der Provinzial Petrus Fischer für sich das Recht, allein die Prioren zu ernennen88. Nach 1644 wird der Provinzial in das Definitorium eingebunden. Die formelle Macht liegt nun bei diesem Kollegialorgan, wie sehr hier der Provinzial die Entscheidungen lenken kann, hängt von seiner Persönlichkeit ab.

Ob es vor der Konstitution von 1644 förmliche Definitoren gegeben hat, ist fraglich. Nach einer Regelung von 1610 wählten der Provinzial, die übrigen Prioren und der Konvent den Prior von Langnau89. Erst ab 1653 taucht die Amtsbezeichnung Definitor90 in den Quellen der Provinz auf. Die Mitglieder des Definitoriums nach dem Erlass der tridentinischen Konstitutionen wurden oben bei der Schilderung des Provinzkapitels bereits aufgeführt. Zu ihm zählten die Inhaber verschiedener Provinzämter (Provinzleitung, Sekretär, Professor, Doktor) und die expressis verbis als solche gewählten vier Definitoren, die meist auch Prioren waren. 1775 beschränkte der General die Zahl der Definitoren auf drei, erst wenn die Provinz mehr als 50 Personen zählte, könne sie das Definitorium wieder vergrößern, wozu es aber nicht mehr kam91. Die Rangfolge der Definitoren richtete sich nach Stimmenzahl und Professalter. Starb ein Definitor, rückten die anderen auf, die Stelle des vierten Definitors nahm der Kandidat mit der nächsthöheren Stimmenzahl beim letzten Kapitel ein. Die meisten Definitoren wurden mehrmals wiedergewählt, einige Definitoren blieben bis zu sieben, acht, in einem Fall neun Wahlperioden im Amt. Über Ansehen und Anhang geben von Wahl zu Wahl wechselnde Rangfolgen und auch Abwahlen Aufschluss. Es gab eine Reihe konsequenter Karrieren über mehrere Rangstufen als Definitor, über den Vizeprovinzial in das Amt des Provinzials. Doch die mächtigen Provinziale des 18. Jh. blieben meist nur kurz Definitoren und erreichten sehr rasch das Spitzenamt der Provinz.

Die Definitoren hatten den Provinzial „consilio, diligentia & labore“ zu unterstützen und waren an allen wichtigen Entscheidungen zu beteiligen92. Auf dem Wahlkapitel entschieden sie über die Besetzung weiterer Provinzämter mit, des Novizenmeisters, der Professoren93, des „annalista“ und der „discreti“ zum Generalkapitel.

Die gemeinsamen Bedürfnisse der Provinz wurden aus der „corbona“ finanziert94, in die zum Teil das Einbringen der Novizen floss und zu der im übrigen die einzelnen Klöster über eine Umlage beizutragen hatten. 1593 stritten sich der in Tannheim residierende Provinzial und die Prioren von Langnau und Argenhart um deren angemessenen Beiträge95. Im 18. Jh. galt ein Verteilungsschlüssel von 30 % für Langnau, je 20 % für Rohrhalden und Bonndorf und je 15 % für Grünwald und Tannheim für eine „einfache corbona“ von 100 fl.96. Je nach Bedarf wurde ein Multiplikator festgelegt, wie viele „corbonae“ im Jahr eingefordert wurden. Bei ihrer Auflösung 1785 verfügte die „corbona“ über ein Kapital von 11.290 fl., wovon 5.190 fl. an das Kloster Langnau, 3.000 fl. an das Kloster Rohrhalden, 1.525 fl. an montfortische Ämter und der Rest an Privatpersonen im Umkreis von Langnau ausgeliehen waren97.

Vom Geld zum Geist. Das einzige Buch, das die Provinz drucken ließ, die „Festa propria fratrum eremitarum ordinis S. Pauli primi eremitae“, erschienen in zwei Auflagen Konstanz 1703 und St. Blasien 1763, spiegelt die ambivalente Spiritualität der schwäbischen Pauliner wieder. Es enthält die Offizien zu den Festen des Ordenspatrons, des Hl. Paulus am 10. Januar, des Hl. Augustinus am 28. August, der Translation des Hl. Paulus am 14. November, das Donnerstags-Offizium zum Hl. Altarsakrament, das Offizium zur unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria, die Litanei zum allerheiligsten Namen Jesu und die lauretanische Litanei, Gebete u. a. zur Geißelung und zur Meditation, die Liste der Ablässe für Religiosen, aber auch die „Officia propria sanctorum ecclesiae et dioecesis Constantiensis“. Die hiesigen Pauliner pflegten also die Reste ordenseigener Liturgie ebenso, wie sie sich in den Festkalender des Bistums Konstanz als ihrer geistlichen Umwelt einfügten98.

Die Entfernung von den eremitischen Anfängen und die immer stärkere Konzentration auf die Seelsorge markierte die Entscheidung des Provinzkapitels von 1753, den Hl. Johannes Nepomuk „in specialem patronum“ zu wählen, was 1769 durch die Aufforderung bekräftigt wurde, alle Patres und Brüder sollten einer Johannes-Nepomuk-Bruderschaft beitreten99. Von dieser Bruderschaft ist allerdings nie mehr etwas zu lesen, während vor und nach 1769 sich eine Mehrheit der schwäbischen Professen in die seit 1727 in Langnau bestehende ordenseigene Schutzengelbruderschaft aufnehmen ließ, und nur eine Minderheit in die dort 1736 gegründete Bruderschaft zum Ordenspatron, dem Hl. Paulus.

Die Ikonographie der Siegel der Provinz stellte ganz den Ordenspatron heraus. Bisher sind vier Typen bekannt. Das spitzovale Siegel des 15. Jh. der „Fratrum heremitarum sancti Pauli Primi heremitae in Alamania“ zeigt eine Ganzfigur des Hl. Paulus im Ordensgewand mit Stock und Buch, unter dem in einem Spitzbogen ein betender Mönch kniet100. Im Rundsiegel des 15. Jh. des Vizeprovinzials wendet sich eine Halbfigur des Hl. Paulus mit Stock und Buch aus einem gotischen Gehäuse frontal dem Betrachter zu101. Im hochovalen Siegel des 17. und frühen 18. Jh. des Provinzials bringt der Rabe dem in Dreiviertelsfigur dargestellten Hl. Paulus das Brot102. Das Rundsiegel des 18. Jh. kombiniert die neuere Ordensheraldik mit der älteren Ikonographie. Der vom Raben mit Brot bekrönte geviertete Schild zeigt oben heraldisch rechts die Mutter Gottes, links die Halbfigur des Hl. Paulus mit über der Brust gekreuzten Armen, unten rechts die zwei Löwen beiderseits der Palme und links je zwei Bäume auf beiden Ufern eines Flusses103. Erst ab 1797 verwendet der Provinzial ein Siegel mit dem Ordenswappen (Palme zwischen Löwen, auf der Palme der Rabe).

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