Elmar L. Kuhn

Die schwäbische Provinz des Paulinerordens ...


Kloster und Landesherr

Während ihrer ganzen Existenz unterstanden die Klöster Tannheim und Argenhardt ihren hochadeligen Stifterfamilien als Landesherrn, Tannheim den Grafen, ab 1664 Fürsten von Fürstenberg, Argenhardt den Grafen von Montfort. Bis zum Verkauf ihrer Grafschaft Tettnang 1780 an Österreich regierten die Grafen von Montfort auch Langnau als Landesherrn. Die Stifter des Klosters Grünwald, die Herren von Blumenegg, verkauften ihr Gebiet 1491 an die Grafen von Fürstenberg (dort ab 1716 Fürsten). Österreich erwarb schon 1381 die Grafschaft Hohenberg mit dem Kloster Rohrhalden. Am häufigsten wechselten die Landesherrn des Klosters Bonndorf von den Herren von Wolfurt über die Herren von Falkenstein, von Rechberg, 1460 bis 1582 die Grafen von Lupfen, bis 1609 die Abtei St. Blasien die Herrschaft von den Herren von Mörsberg an sich brachte. Im hier vor allem behandelten 17. und 18. Jahrhundert unterstanden Grünwald und Tannheim dem Hause Fürstenberg als Landesherrn und Kastenvogt, wobei in Grünwald St. Blasien als zweiter Stifter und Lehensherr ein Mitspracherecht beanspruchte. In SchwäbischÖsterreich lagen Rohrhalden und ab 1780 de facto Langnau. Bonndorf war Hauptort der gleichnamigen Herrschaft, ab 1699 Grafschaft der Fürstabtei St. Blasien.

Eigene politische und gerichtliche Funktionen konnte nur Langnau anfangs ausüben, da dem Kloster bei seiner Gründung die Gerichtsrechte der vormaligen Benediktinerpropstei zugestanden wurden, vor allem die „Gerichtsbarkeit über Grund und Boden“. Aber in der Folge zeigte sich in „der Ausübung der Niedergerichtsbarkeit ... ein starkes Vordringen des Vogts auf Kosten des Klosters“239. In mehreren Verträgen 1467, 1478, 1729 und 1736 wurden die Rechte des Klosters immer mehr eingeschränkt und weitgehend auf die Mitwirkung bei Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeschränkt. Das Gericht für die Klosterherrschaft wurde mit den anderen Dorfgerichten der Grafschaft um 1500 nach Tettnang gezogen. Immer wieder beschwerte sich die Provinz beim Generalkapitell über das Verhalten der Grafen, die ja in der Liste der Wohltäter des Ordens geführt wurden, gegenüber dem Kloster Langnau. „Tutores, utpote per ipsum imperatorem ad hoc munus constituti, et protectores eiusdem provinciae esse deberent, facti sint potius hostes, inimici & persecutores dictae provinciae“240.

Zwar musste der Prior auf Dauer darauf verzichten, einen gelehrten Beamten anzustellen, bestellte aber noch im 18. Jahrhundert im Amt Langnau einen eigenen Amann neben dem herrschaftlichen (Unter)Vogt, bezog die Hälfte der Steuer im Amt, entschied selbst über die Vergabe seiner Lehen und übte die Leibherrschaft über seine Gotteshausleute aus.

Grünwald beanspruchte jahrzehntelang eine Exemtion von der Steuer und Militärhoheit Fürstenbergs und wollte dessen Wappen auf seinem Gebiet nicht dulden, was die fürstenbergischen Beamten als „pretendierte ... niedere Obrigkeit“ interpretierten. Sie bezeichneten die Häusler zu Grünwald als „imediate leibeigen untertänig unterworfene Untertanen“241. Der Konflikt bestand darin, dass eine etwa auch von Rohrhalden 1648 beanspruchte „allgemeine geistliche und in hl. Canonibus bewahrte Immunität“242 von Grünwald auch für seine Häusler als Mitglieder der klösterlichen familia gefordert wurde, während Fürstenberg sie als bloße „Zensiten“ einstufte.

In der frühen Neuzeit kollidierten zwei Tendenzen:

  • Die Intensivierung des landesherrlichen Kirchenregiments mit der Integration der Ansprüche der Kastvogtei in die immer umfassender verstandene Landesherrschaft243,

  • der Versuch der Kirche, den Bereich der geistlichen Immunität immer extensiver zu interpretieren und gleichzeitig temporalia und spiritualia klarer zu trennen244, im konkreten Fall getragen vom wachsenden Selbstbewußtsein der Pauliner, deren Zahl wieder wuchs und deren Klöster sich seit dem 17. Jahrhundert wirtschaftlich erholten. Der St. Blasianer Oberpfleger zu Bonndorf stellte bei einem Vergleich der Schreiben der Pauliner an ihre Landesherrschaft fest, daß „die älteren Herren P. Pauliner mehr Devotion gegen gnädige Herrschaft erzeigt, als jetztmalige“245.

In Bonndorf und Langnau wurde der anachronistische Versuch unternommen, nachzuweisen, daß ihren Herrschaften eine bloße Schirm- und keine Kastvogtei zukomme und sie widerrechtlich die „Schirmvogtei über das Kloster ... ad jurisdictionem zu extendieren“ versuchten246. Der Bonndorfer Prior bestritt St. Blasien gar jegliches Vogtrecht, da der Orden privilegiert sei und „allein einen protectorem ordinis (habe), welcher zugleich die Stelle eines Advocaten, Vogts und Schirms vertrete“247.

Mit der Aufsichtspflicht über temporalia wurde das Mitspracherecht bei Wahl und Einsetzung der Prioren begründet, aber es betraf natürlich auch zentral die spiritualia. Die neu gewählten Prioren hatten sich ihren jeweiligen Landesherren, den Grafen von Montfort, den Grafen und Fürsten von Fürstenberg und dem Fürstabt von St. Blasien jeweils mit dem Präsentationsbrief des Provinzials vorzustellen und um die Bestätigung zu bitten. Erst wenn die förmliche Approbation erteilt worden war, wurden sie von der Landesherrschaft in ihrem Amt anerkannt. Nur für Rohrhalden ist nichts über Präsentationen und Bestätigungen durch die österreichischen Beamten in Rottenburg bekannt. Die Rechte der Grafen von Montfort wurden mehrfach vertraglich fixiert, wie schon oben behandelt, und wurden auch seit dem 16. Jahrhundert durchgehend wahrgenommen. Für Fürstenberg sind Präsentationen und Bestätigungen für das späte 16. und frühe 17. Jahrhundert, dann erst wieder im Verlauf des 18. Jahrhunderts dokumentiert248. Es legte auf die Präsentation im Laufe der Zeit immer mehr Wert. 1691 hatte sich der Grünwalder Prior nur dem Obervogt des Amtes Neustadt vorzustellen. Ab 1763 sollten die beiden Prioren von Grünwald und Tannheim nicht mehr bloß der fürstlichen Regierung, sondern dem Fürsten selbst die Präsentationsbriefe vorlegen249. Die Prioren lasen in der Donaueschinger Pfarrkirche zwei Messen für das fürstliche Haus, wurden gelegentlich vom Fürstenpaar zur Tafel geladen und vermerkten stolz, wenn sie den ominösen „terminum präsentieren“ auszusprechen vermeiden konnten250. Es folgten nach der Rückkehr in ihre Klöster die Vorstellungen bei den örtlichen Amtleuten251. Der Grünwalder Prior begab sich zudem nach St. Blasien, um sein Kloster dem Fürstabt als zweitem Stifter zu empfehlen252. Der St. Blasianer Oberpfleger in Bonndorf konnte 1726 aus seinen Akten ermitteln, dass sich der neue Prior zu Bonndorf 1596 und 1621 präsentiert hatte, dass aber seither „dergleichen actus und präsentationes“ nicht mehr erfolgt seien253. 1742 hat nach seiner Ankunft der neue Prior zu Bonndorf „die gewöhnliche der gnädigen Herrschaft Aufwartung gemacht, auch bei allhiesigen geistlichen und weltlichen Herren seine Visite abgestattet“254. In Bonndorf scheint im 18. Jahrhundert die Teilnahme des Priors an der Huldigung beim ersten Besuch eines neuen Fürstabts im Hauptort seiner Reichsgrafschaft wichtiger genommen worden zu sein als die Präsentation. Vor dem feierlichen Hochamt in der Kloster- und Pfarrkirche begrüßte der Prior den Fürstabt mit einer wohlgesetzten lateinischen Rede, nach der Huldigung lud der Fürstabt die Pauliner zu seiner Tafel und stattete dem Kloster einen Besuch ab255.

Im Bereich der temporalia entwickelte sich im 18. Jahrhundert die Obsignation zu einem Streitpunkt zwischen Provinz, Kloster und Landesherren256. Obsignation hieß die Versiegelung des Nachlasses, seine Inventarisierung und die Verteilung des Nachlasses, im Falle eines Klosteroberen, der ja über kein Privatvermögen verfügte, bedeutete es die Kontrolle über das gesamte Klostervermögen bis zum Amtsantritt eines neuen Priors. Deshalb versuchte die Landesherrschaft unter Verweis auf die Präsentationspflicht und ihr Approbationsrecht die rasche Bestellung eines neuen Priors nach dem Tod seines Vorgängers zu verhindern. Gegen den Versuch der Obsignation protestierten die anwesenden Ordensoberen und Patres immer. St. Blasien nahm die Obsignation nicht vor, da die Abtei sonst in Argmentationsnot betreff ihrer eigenen geistlichen Immunität gekommen wäre. Die Grafen von Montfort verzichteten im Vertrag von 1729 grundsätzlich auf die Obsignation. Die fürstenbergischen Beamten beharrten in der Regel grundsätzlich auf ihrem landesherrlichen und vogtlichen Recht, verzichteten aber bis 1785 auf die Ausübung257.

Unter Berufung auf ihre „von dem jure advocatiae et territorii dependierende“ Rechte258 griffen die Landesherren immer wieder massiv in die Wirtschaftsverwaltung der Klöster ein. Die Verträge der Grafen von Montfort mit dem Kloster Langnau wurden erwähnt. Einen ähnlich umfassenden, weit über die Klosterwirtschaft hinausreichenden Vertrag schloss St. Blasien mit dem Kloster Bonndorf 1668259. 1725 verbot die Abtei dem Kloster Bonndorf den weiteren Ankauf von Grundstücken und erwog 1726, sich die Jahresrechnungen regelmäßig vorlegen zu lassen260. Ende des 16. Jahrhunderts intervenierten die österreichischen Amtleute zu Rottenburg massiv im Kloster Rohrhalden, ließen 1570 ein Inventar aufnehmen, erließen 1582 zusammen mit dem Provinzial die „Instruktion und Ordnung“ für die Klosterökonomie und beschlagnahmten 1601 die Vorräte, als ihnen die Rechnung nicht vorgelegt wurde261. Fürstenberg weigerte sich, nach dem Tod des Grünwalder Priors 1785 einen Amtsnachfolger anzuerkennen und setzte einen der Patres als Administrator in temporalibus unter strenger Aufsicht ein262. Auch nach Bestätigung eines neuen Priors in Grünwald 1790 beharrte Fürstenberg für beide Klöster auf „gebührende Einsicht in ihre alljährlich ordnungsgemäß zu stellende Rechnungen und ganze Ökonomie“263. Um den Holzeinschlag stritt man sich in den fürstenbergischen Klöstern immer wieder, ebenso wie in Bonndorf mit St. Blasien.

Mit den spiritualia im engeren Sinn befassten sich die weltlichen Obrigkeiten nur im 16. Jahr-hundert mit seiner laxen Ordensdisziplin. 1520 befahl die Gräfin von Montfort dem neu gewählten Prior in Langnau, „die Brüder alle in rechter Ordnung zu halten, nit, daß sie ungebührlich und allzu wie bisher unordentlich aus dem Gotteshaus unerlaubt laufen, und dass sie rechte Ordnung mit Singen und Lesen halten“264. 1570 sollten die österreichischen Beamten in Rottenburg dafür sorgen, dass in Rohrhalden „der Gottesdienst ordentlich und wie es sich gebührt gehalten“ werde265.

Existenzfragen wurden mit der Kontrolle der Konventsgrößen berührt. Im 16. und Mitte des 17. Jahrhunderts drängten Österreich, Fürstenberg und St. Blasien auf Aufnahme von Novizen, im 18. Jahrhundert beschränkte St. Blasien die Zahl der Konventualen in Bonndorf, und Fürstenberg untersagte nach 1785 seinen Landeskindern den Eintritt in Grünwald und Tannheim266.

Die Landesherren drangsalierten ihre Klöster nicht nur, die Querelen sind in den Quellen überrepräsentiert, sie halfen durch Baubeiträge, stifteten Ausstattungsgegenstände in die Kirchen, luden Provinziale, Prioren und Patres zu Tisch und Konzerten ein. Gelegentlich konnte sich sogar eine freundschaftliche Beziehung entwickeln. So lud der Fürstabt von St. Blasien 1716 den Vizeprovinzial und Bonndorfer Prior Bernhard Pfender ein, ihn auf einer Reise nach Freiburg zu begleiten. „Es bleibt dabei und davon beißt keine Maus keinen Faden ab. Es soll Euer Hochwürden keinen Kreuzer kosten, weil, wo ich sein werde, Sie auch sind ... Es ist eine Gelegenheit, die Eure Hochwürden auch einmal aus Ihrem ... Loch heraustreibt ... Die Reisen sind nicht groß und die Andacht [nicht] zu hart“267. Umgekehrt konnten die Landesherren als Gäste lästig werden, wenn fürstliche oder gräfliche Jagdgesellschaften mit 50 bis 80 Personen, Pferden und Hunden ins Kloster einfielen268.

Eine besondere Funktion nahm das Kloster Langnau für die Grafen von Montfort als Hauskloster und gräfliche Grablege wahr269. Der Ordensgeneral zählte 1718 „14 insignia dominorum de Montfort, qui ibidem uti fundatores ordinariam habent sepulturam“ in der Klosterkirche270. Die montfortische Hauschronik beschreibt detailliert die Trauerfeierlichkeiten für die 1753 im Alter von 23 Jahren verstorbene Gräfin Adelheid. Sie zogen sich über sechs Tage hin, alle Geistlichen der Grafschaft, die Beamten, Gesandte benachbarter Höfe und viele Untertanen nahmen daran teil und speisten teilweise im Kloster271. Der Aufwand beim Begräbnis eines regierenden Grafen dürfte noch ungleich größer gewesen sein. Zum alljährlichen sog. „großen Montfortischen Jahrtag“ fand sich die gräfliche Familie mit ihren Spitzenbeamten ein und tafelte wiederum im Refektorium272. Die Existenz der gräflichen Stifterfamilie und ihrer klösterlichen Stiftung endete im gleichen Jahr 1787, einige Jahre darauf wurden mit der Klosterkirche ihre Grabmäler demoliert und ihre Gebeine nach Hiltensweiler transferiert.

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